Titelstory und Interview mit CEO Dr. Axel Zein im SPS Magazin (Ausgabe 13 – Dezember 2024)
Vom Hype zum realen Einsatz
Die Geschwindigkeit, mit der sich Branchen und Technologien entwickeln, zwingt Unternehmen zum Umdenken. Innovationen sind ein Muss, und künstliche Intelligenz entwickelt sich rasch vom Schlagwort zum geschäftlichen Rückgrat. Die Elektrokonstruktion bildet keine Ausnahme. Als weltweit erster Anbieter hat WSCAD KI in seine E-CAD-Software integriert. Electrix AI eröffnet Anwendern neue Möglichkeiten. Die neue Form der Zusammenarbeit ist ein effektives Mittel gegen die zwei großen Herausforderungen der Branche: Zeitdruck und Fachkräftemangel.
Herr Zein, WSCAD hat als erstes Unternehmen künstliche Intelligenz in eine E-CAD-Lösung integriert. Was macht diesen Schritt so bedeutsam?
A. Zein: KI ist mehr als ein Trend – sie ist eine technologische Revolution. Sie verändert Branchen in einem Tempo, das traditionelle Ansätze alt aussehen lässt. künstliche Intelligenz kann zeitaufwendige und repetitive Aufgaben automatisieren und blitzschnell Erkenntnisse liefern. Gerade in der Elektrokonstruktion, die stark von standardisierten Prozessen und repetitiven Aufgaben geprägt ist, schafft sie echte Mehrwerte – und dies in einer Präzision und Geschwindigkeit, die Menschen nicht leisten können. KI kann und wird Innovationen vorantreiben und Unternehmen auf das nächste Effizienzniveau führen. Wer KI ignoriert, wird über kurz oder lang versuchen, einen Marathon durch Treibsand zu laufen. Das passiert auch großen IT-Konzernen – nehmen Sie Apple: Das Unternehmen hat die erste Welle der KI-Entwicklung verpasst und versucht nun, verlorenes Terrain gutzumachen. Aber selbst, wenn einem die Ressourcen von Apple zur Verfügung stehen ist es doch einfacher, von Anfang an vorne mitzuspielen, als später aufzuholen.
Wie können Unternehmen KI als langfristige strategische Investition nutzen und welchen Mehrwert liefert Electrix AI?
A. Zein: Unternehmen sollten künstliche Intelligenz nicht als vorübergehenden Trend betrachten, sondern als eine langfristige strategische Investition. Die aktive Integration von KI-Projekten erfordert Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen und die Bereitschaft, Partnerschaften mit Technologieunternehmen einzugehen. Gleichzeitig ist es wichtig, interne Hürden wie veraltete IT-Infrastrukturen oder eine stagnierende Unternehmenskultur zu identifizieren und abzubauen. Eine innovationsfreundliche Umgebung, die Fehler toleriert und Experimente fördert, ist entscheidend, um das volle Potenzial der KI auszuschöpfen. Electrix AI steigert die Effizienz erheblich, indem sie zeitaufwendige und fehleranfällige Aufgaben mit beeindruckender Geschwindigkeit erledigt. Mit dem neuen AI Copilot können Konstruktionsvorgänge durch einfache Textbefehle angestoßen werden, die zuvor mehrere Minuten und viele Klicks erfordert hätten. Auch Informationen, wie die Berechnung eines Drahtquerschnitts stehen sofort zur Verfügung. Zudem erleichtert Electrix AI die Nutzung der Software für Gelegenheitsanwender und reduziert die Fehlerquote signifikant, was angesichts der hohen Folgekosten von Produktionsfehlern einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil bietet. Zum einen geht also vieles viel, viel schneller und zum andern viel einfacher, denn man muss nicht mehr wissen, wie einzelne Menüs aufgebaut sind und die Software zu bedienen ist.
Können Sie uns konkrete Beispiele für die Anwendung von Electrix AI nennen?
A. Zein: Ein zentraler Bestandteil von Electrix AI ist unser AI-Copilot. Er versteht natürliche Sprache und über ihn kann ein Konstrukteur der Software mitteilen, was er tun möchte. Etwa um Hilfe bitten „Wie schalte ich den Fang ein oder aus?“, einen technischen Rat einholen „Welchen Querschnitt brauche ich für einen 24V/64A Kupferdraht?“ oder wiederkehrende Routineaufgaben delegieren und mit nur einem Klick ausführen. Beispielsweise: „Erstelle mir eine Kabelliste oder einen Klemmenplan für dieses Projekt“ – und Electrix AI liefert das Ergebnis in Sekunden. Mit zu den zeitaufwendigen und immer wiederkehrenden Aufgaben gehört beispielsweise das Generieren von Stücklisten. In früheren Versionen der WSCAD-Software sind dafür zehn Klicks und etwa eine Minute Zeitaufwand erforderlich. Bei einem Wettbewerbsprodukt haben wir sogar 22 Klicks gesehen. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Für eine alltägliche Aufgabe – Erstellen der Stückliste – die wiederkehrend ist, brauchen Sie beim Marktbegleiter einen gut geschulten Elektrokonstrukteur, der genau weiß, wo er diese 22 Klicks setzen muss. Und wehe, er klickt einmal daneben. Mit Electrix AI erledigt diese Aufgabe ein Auszubildender in fünf Sekunden, indem er dem System sagt: „Erzeuge die Stückliste“.
Und es geht noch schneller: Für häufig wiederkehrende Aufgaben haben wir vordefinierte Beispiel-Prompts: Ein Klick genügt und schon werden Materialliste, Klemmenplan und Kabelliste erstellt. Oder nehmen Sie die Fehlersuche: Früher mussten Konstrukteure Pläne manuell prüfen. Die Anweisung „Finde Fehler im Projekt“ listet in Sekunden fehlende Zuweisungen, Hauptelemente ohne zugewiesene Nebenelemente oder offene Verbindungen auf. Auch die Suche nach einem bestimmten Bauteil oder die Rückverfolgung früherer Projekte geht schnell: „In welchem Projekt habe ich den Ventilator #3239.100 zuletzt verwendet?“ Statt stundenlang manuell zu suchen, findet Electrix AI die Projekte mit dem verwendeten Bauteil in Sekunden. Kunden sagen uns, dass Sie dadurch sehr viele Stunden wertvoller Arbeitszeit einsparen.
Viele Unternehmen zögern noch, in KI zu investieren. Was raten Sie diesen Firmen?
A. Zein: Starten Sie jetzt und starten Sie smart. KI ist kein Allheilmittel, das alle Probleme über Nacht löst. Aber wer frühzeitig beginnt, die Technologie zu verstehen und gezielt einzusetzen, verschafft sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. Analysieren Sie, welche Prozesse in Ihrem Unternehmen am meisten durch den Einsatz von Electrix AI profitieren. Definieren und kommunizieren Sie klare Ziele und messen Sie den Erfolg. Wichtig ist, eine Kultur des Experimentierens und der Verbesserung zu fördern. Fehler gehören dazu – sie sind ein wesentlicher Teil des Lernprozesses. Gleichzeitig sollte die Einführung von KI mit einer langfristigen Strategie verbunden sein. Es geht nicht nur um Technologie, sondern auch um Menschen. Führungskräfte müssen entsprechend agieren und Mitarbeiter befähigt werden, die neuen Werkzeuge zu nutzen und deren Potenzial auszuschöpfen. Was aber gar nicht geht, ist die Einstellung: Das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir auch weiter so.
Was bedeutet der Einsatz von KI für Mitarbeiter und Führungskräfte?
A. Zein: Das ist eine gute und entscheidende Frage, denn KI ist weit mehr als nur eine ausgeklügelte Technik. Sie beschleunigt Prozesse und verändert Arbeitsweisen. Führungskräfte müssen ihre Teams aktiv auf die neuen Technologien vorbereiten und ein Umfeld schaffen, in dem KI gerne angenommen wird. Heißt konkret: Hindernisse beseitigen, das Team motivieren und Katalysator sein. Die Devise lautet: Experimentieren fördern, aber gelenkt. Ein guter Ansatz sind interdisziplinäre Teams. Die Integration von KI erfordert eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit. KI-Innovationen gedeihen selten in Silos. Wenn die Leute aus der F&E-Abteilung mit dem Marketingteam sprechen und die Produktdesigner mit den Datenwissenschaftlern zusammenarbeiten, eröffnen sich neue Perspektiven und echte Durchbrüche. Die Schaffung einer KI-bereiten Kultur ist ein fortlaufender Prozess, der Engagement, Weitblick und Führungsstärke erfordert. Es braucht Schulungen, eine offene Kommunikation und vor allem eine Kultur, die Innovationen fördert. Nur wenn Fehler erlaubt sind, können Mitarbeiter den Mut entwickeln, Neues auszuprobieren. Für Mitarbeiter wiederum bedeutet es, mit der Zeit zu gehen. Talent allein wird nicht mehr ausreichen – es braucht den Willen, komplexe Herausforderungen anzunehmen und zum Abschluss bringen zu wollen. Viele Mitarbeiter haben zunächst die Sorge, dass ihre Jobs durch KI überflüssig werden könnten. Doch das Gegenteil wird der Fall sein: KI entlastet sie von monotonen Routineaufgaben und gibt ihnen die Freiheit, sich auf kreativere und strategisch wichtigere Tätigkeiten zu konzentrieren. Die besten Mitarbeiter sind wahrscheinlich die, die neben Leidenschaft eine natürliche Neugier in Verbindung mit Ausdauer und Beharrlichkeit mitbringen.
Der Begriff künstliche Intelligenz wird oft kontrovers diskutiert – wo stehen wir Ihrer Meinung nach aktuell mit KI?
A. Zein: KI ist heute noch kein Alleskönner, aber sie ist weit mehr als ein einfacher Algorithmus. Nehmen Sie etwa ein Large Language Model, kurz LLM. Es kann menschliche Sprache in unterschiedlichen Dialekten, geschrieben und gesprochen verstehen und demnächst wahrscheinlich visuell von den Lippen ablesen. Bei WSCAD haben wir als weltweit erster Hersteller gerade damit begonnen, Grundfunktionen und Erleichterungen für die Anwender in unsere E-CAD Software zu integrieren. Über alles betrachtet, vergleiche ich den aktuellen Stand der KI gerne mit einem Assistenten, der nie schläft, keine Fristen verpasst und jeden einzelnen Datensatz, der jemals geschrieben wurde, lesen kann. Das ist fürs Erste doch schon mal ziemlich praktisch, oder? Konkret können Sie ein Large Language Model eine Einladung verfassen lassen oder ein Schreiben an eine Behörde. Mit der KI in unserer E-CAD Software sind Sie in der Lage, einzelne Konstruktionsvorgänge bis zu 98 Prozent schneller abzuarbeiten als bisher. Sie müssen dafür nicht mehr wissen, wie die Software zu bedienen ist und die Menüstrukturen aufgebaut sind. Das ermöglicht weniger erfahrenen Anwendern ziemlich coole Dinge zu tun und Experten bekommen mehr Zeit, um sich auf kreative und strategisch wichtige Projekte zu konzentrieren.
Das heißt, für die Elektrokonstruktion ist diese Technologie unverzichtbar?
A. Zein: Ganz klar, ja. Die Elektrokonstruktion wird sich durch KI in den nächsten Jahren dramatisch zum Besseren verändern. Ich bin überzeugt, dass KI eine zentrale Rolle als Produktivitätsbooster spielen wird, und zwar nicht nur als unverzichtbares Werkzeug, sondern als integraler Bestandteil der gesamten Wertschöpfungskette. Momentan können wir mit Electrix AI Konstruktionsschritte extrem beschleunigen und Informationen sofort verfügbar machen. Doch das ist nur der Anfang. Die nächste Phase wird sich darauf konzentrieren, KI noch besser in die Workflows der Konstrukteure zu integrieren und die Software kontinuierlich weiterzuentwickeln.
Unternehmen, die KI als Chance sehen, bietet sich eine historische Gelegenheit: Sie werden nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch die Grundlagen für zukünftige Innovationen schaffen.
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